Tabassum, S. 336f
Ich musste schlucken, als ich das hörte. Bevor wir das Königreich von Gerbang Agung erreichten, hatte Loki Tua uns schon gewarnt, dass die Einheimischen dort die merkwürdige Vorliebe hätten, die Todesstrafe an ihren Gefangenen zu vollstrecken. Es gab viele Varianten, häufig noch viel unappetitlicher als die, von der wir heute Zeuge wurden. Einige wurden dazu verurteilt, in einer hohlen eisernen Skulptur eines Stieres eingeschlossen zu werden, unter der man dann ein Feuer anzündete. Andere wurden in einem riesigen Topf auf niedriger Flamme gekocht. Wieder andere wurden von vier Pferden über den Boden geschleift, bis sie in Stücke gerissen wurden. Oder die Gefangenen wurden Hunden zum Fraß vorgeworfen, die man tagelang hatte hungern lassen. Anderen wurde auf eine sehr ausgefeilte Weise der Kopf zertrümmert, nämlich indem man speziell dafür trainierte Adler aus großer Höhe Schildkröten auf die Gefangenen herabwerfen ließ – solch ein Tod wurde zumeist Unterhaltungskünstlern zu Teil, denen es nicht gelungen war den König und die Großen des Landes bei einem Staatsbankett zum Lachen zu bringen. Wieder andere wurden entblößt an einen Pfosten gebunden. Dort wurden sie von mindestens drei Zwergsklaven zu Tode gebissen. Diese hatten den Befehl erhalten, bei den Hoden zu beginnen. Bei dieser letzten Todesart fällt es mir schwer zu entscheiden, wer das schlimmere Los hat, der baldige Leichnam oder die Henker. Sabadus blutüberströmter Körper hatte schon einige Knochenbrüche erlitten und wurde nun erneut auf das Gerüst getragen. Ohne lange zu warten warf man ihn wieder herab, diesmal in Richtung eines großen runden Steins auf der rechten Seite unterhalb des Vorstands. Das Geräusch seines brechenden Genicks sagte uns, dass wir ihn nie wieder weinen hören würden.
S. 338 Der Offizier umkreiste uns drei und blieb dann vor meinem Gefährten Loki Tua stehen. Er griff in Loki Tuas Korb nach einem noch ungeschälten, gekochten Ei und nahm es heraus. Die Eier hatte mein Freund heute früh auf dem Markt erworben. Sie stammten von den Gänsen mit Silberkamm, einer besondere Rasse des Königreichs Gerbang Agung. Den Eiern wurden bestimmte Eigenschaften nachgesagt, abhängig von der Jahreszeit, in der sie von den Gänsen gelegt wurden. Um in den Genuss dieser Wirkungen zu kommen, mussten die Eier gekocht werden – in Salzlake, hart- oder weichgekocht -, jedoch nicht als Omelett oder Rührei gebraten. Ein gekochtes und im Sommer gelegtes Ei dieser Silberkammgänse, wie es der Offizier nun in der Hand hielt, soll ein Gefühl der Freude und die Motivation zum Wettbewerb hervorrufen. Ein Herbstei bewirkt ein Verlustgefühl und den Wunsch traurige Lieder zu komponieren. Die Menschen glauben, dass Wintereier das Begehren nach Paarung entfachen. Von dem Genuss eines Frühlingseis ist jedoch abzuraten, obwohl es in Salzlake ausgesprochen schmackhaft und die Konsistenz des Eigelbs eine Besondere ist. Denn es kann das Verlangen gewalttätig zu werden entzünden und sogar das Bedürfnis, jemanden zu ermorden – insbesondere jemanden aus der eigenen Familie.
Übersetzung von Gudrun Ingratubun aus: Yusi Avianto Pareanom: Raden Mandasia Si Pencuri Daging. Banana Publishing, Jakarta, 2016, Kap. 10, S. 336-338;
© Yusi Avianto, Gudrun Ingratubun