Archiv der Kategorie: Romane

Eka Kurniawan: Auszug aus dem Roman „Tigermann“

Zwei

Der Tiger war weiß wie ein Schwan und zugleich scharf und mitleidslos wie ein Rothund. Mameh hatte ihn einmal für einen kurzen Augenblick gesehen, wie er, einem Schatten gleich, Margios Körper verließ. Davor und auch danach hatte sie ihn nie wieder zu Gesicht bekommen. Aber es gab ein Anzeichen, das sie wissen ließ, dass der Tiger noch in ihm war. Mameh kannte es gut, aber sie wusste nicht, ob andere Leute es auch sahen. Erkennbar war es nur in der Dunkelheit, wenn Margios Augen plötzlich katzengelb aufblitzten. Anfänglich hatte Mameh vor diesen Augen Angst, und noch mehr fürchtete sie, dass der Tiger nach draußen springen würde, aber mit der Zeit legte sich diese Furcht, und weil sie zu oft schon dieses in der Dunkelheit aufleuchtende Augenpaar gesehen hatte, war ihr nicht mehr bang. Er war kein Feind, der sie verletzen würde, im Gegenteil, der Tiger war wahrscheinlich da, um sie zu beschützen.

Margio selbst war ihm zum ersten Mal an einem Morgen begegnet; das war vor einigen Wochen gewesen, noch bevor er von zuhause fortgegangen war. Er hatte als einziger im Gebetshaus übernachtet, und als er am Morgen aufgewacht war, hatte kein Tablett mit dampfend heißem Kaffee neben ihm gestanden oder gar ein Teller mit Frühstücksreis – nein, vielmehr hatte neben ihm ein weißer Tiger gelegen, der sich die Pranken leckte. Margio war aufgewacht, weil dessen Schwanz vergnügt hin und her wippte und dabei seine nackten Füße traf, ganz so, wie wenn ihm Ma Soma mit der Hand leicht auf die Füße klopfte, um ihn für das Frühgebet zu wecken. Aber draußen war es schon hell gewesen, und der Regen hatte der Welt ein tiefgraues Gesicht gegeben – offenbar hatte es in der Nacht so stark gegossen, dass kein Mensch in der Morgendämmerung das Gebetshaus aufgesucht hatte. Natürlich hatte Margio sich ziemlich erschreckt, der Anblick hatte ihn so überwältigt, dass er nur still innehalten und voll Verwunderung auf dieses mit sich selbst beschäftigte mächtige Tier starren konnte.

Er wusste, dass das Tier nicht wirklich lebte. Während der zwanzig Jahre, die er jetzt schon auf Erden war, hatte er schon so häufig den Urwald am Rande der Stadt durchquert, aber noch nie war ihm solch ein Tier begegnet. Da gab es kleine Baumleoparden, Wildschweine und Rothunde, aber nie einen weißen Tiger fast so groß wie ein Rind. Er erinnerte ihn an seinen Großvater vor vielen Jahren. Ihm traten Tränen in die Augen, und er streckte ganz langsam seine Hand aus, um die vordere Pranke des Tigers kurz zu berühren. Sie lag tatsächlich als ein greifbares Ding da, mit einem Fell so weich wie ein Staubbesen, die Krallen eingezogen wohl als Freundschaftsangebot. Nun hatte er die zweite Pranke leicht angehoben, und Margio streckte erneut seine Hand aus, worauf der Tiger seine Pfote hin und her bewegte, wie ein junges Kätzchen, das spielen will. Margio versuchte geschickt zuzugreifen, aber der Tiger rollte sich auf den Rücken und wich aus, stellte sich unerwartet auf die Hinterbeine zum Angriff bereit, und bevor Margio sich in Sicherheit bringen konnte, stürzte er sich auf ihn, warf ihn zu Boden und rollte sich dort mit ihm, ließ dann aber von ihm ab, da Margio dem Gewicht nicht gewachsen war. Margio blieb liegen, der Tiger setzte sich neben ihn und putzte wieder seine Pranken. Da klopfte Margio ihm zart auf die Schulter und sagte:

„Großvater?“

Aus dem Indonesischen von Martina Heinschke aus: Eka Kurniawan: Tigermann. OSTASIEN Verlag (Reihe Phönixfelder 30), Gossenberg, 2015, (ISBN: 978–3-940527-92-9)

© OSTASIEN Verlag

Eka Kurniawan: Schönheit ist eine Wunde

Einundzwanzig Jahre nach ihrem Tod erhebt sich Dewi Ayu aus ihrem Grab. Die einstmals beliebteste Prostituierte Halimundas findet, es sei an der Zeit, ihre jüngste Tochter kennenzulernen. Wieder in der Welt der Lebenden, muss sie feststellen, dass ihre Töchter grausame Schicksale erdulden müssen. Alle, bis auf die jüngste – denn die ist mit unsagbarer Hässlichkeit gesegnet.

Dewi Ayu begibt sich auf die Suche nach der Ursache für den Fluch, der auf ihrer Familie lastet. Eine Suche, die im Zweiten Weltkrieg beginnt, über einen despotischen Herrscher führt und dem Aufstreben einer jungen Nation beiwohnt. Zwischen fliegenden Frauen, rachsüchtigen Geistern und besessenen Totengräbern spinnt sich ein Netz der Wahrheit, das die Geschichte einer Familie und eines ganzen Landes einfängt.

Eka Kurniawan: Schönheit ist eine Wunde. Roman Aus dem Indonesischen von Sabine Müller. Unionsverlag, Zürich 2017

Hardcover (ISBN-13: 978-3-293-00521-1ISBN-10: 3-293-00521-7)


Eka Kurniawan: Tigermann

Ein dörfliches Wohngebiet am Rand einer Kleinstadt an Javas Südküste: Jeder kennt jeden, Alteingesessene leben neben neu Zugezogenen, die einen recht gutgestellt, die anderen mühsam um Arbeit und ein Auskommen kämpfend. Die Erzählung beginnt mit der Nachricht von einem brutalen Mord. Margio, ein stiller Junge, zwanzig Jahre alt, als Treiber bei der Wildschweinjagd allseits geschätzt, hat überraschend seinen Nachbarn getötet, nicht mit einer Waffe – er hat ihm vielmehr die Kehle durchgebissen.

Der Roman kreist um die Hintergründe der Tat. Sprachlich präzise, dicht und mit ungewöhnlichen Metaphern lässt Eka Kurniawan Margios Welt entstehen: schwierige Familienverhältnisse, die Beziehungen zwischen den Nachbarn, die Bindung an die Großeltern, Margios Geschick bei der Jagd, die Unsicherheiten der ersten Liebe.

Der Roman bietet eine überzeugende soziale und psychologische Darstellung, wobei der Rekurs auf den Tigermythos ein magisches Element einflicht und mit deren Grenzen spielt.

Tigermann aus dem Jahr 2004 ist beispielhaft für den eleganten Erzählstil von Eka Kurniawan und zeigt ihn als Meister der Beobachtung und psychologischen Deutung.

Der Roman wurde bereits ins Englische, Französische, Italienische und Koreanische übersetzt.

Eka Kurniawan: Tigermann. Reihe Phönixfeder 30
OSTASIEN Verlag

Paperback-Ausgabe, 2015.
ISBN-13: 978-3-940527-92-9 (978-3940527929, 978394052929) ISBN-10: 3-940527-92-0 (3940527920)

Hardcover-Ausgabe, 2016. 
ISBN-13: 978-3-940527-93-6 (978-


Eka Kurniawan: Kutipan dari „Lelaki Harimau“

Dua

Harimau itu putih serupa angsa, ganas sebengis ajak. Mameh pernah melihatnya suatu kali, sejenak, keluar dari tubuh Margio, seperti bebayang. Sebelumnya tak pernah ia melihat itu, pun setelahnya. Hanya satu pertanda bahwa harimau itu masih ada di sana, dan Mameh tahu, meski ia tak tahu apakah orang lain tahu. Pertanda itu hanya tampak di dalam gelap, di mata Margio, yang mendadak berkilau kuning, serupa milik kucing. Awalnya Mameh takut melihat mata itu, dan lebih cemas harimaunya sungguh keluar dari sana, namun bersama berlalunya waktu, dan sebab terlampau sering melihat sepasang cahaya dalam gelap itu, ia tak lagi cemas. Itu bukan musuhnya, ia tak akan melukainya, dan sebaliknya, barangkali harimau itu ada di sana untuk melindungi mereka.

Margio sendiri menemukannya suatu pagi, kala terbangun dari tidur seorang diri di surau, berminggu lalu sebelum ia minggat. Bukan kopi hangat mengepul di atas tatakan, bukan pula sepiring nasi goreng sarapan pagi, tapi seekor harimau putih rebah di sampingnya, tengah menjilati kakinya sendiri. Ia terbangun disebabkan ekor si harimau yang menari, menyapu kali telanjangnya, dan sejenak ia pikir itu tepukan tangan Ma Soma membangunkannya, mengajaknya salat Subuh. Tapi ternyata hari telah pagi, dan di luar hujan turun dengan wajah semesta yang kelabu, nyata semalam hujan besar dan tak ada orang datang di kala subuh. Tentu saja ia rada terkejut, demikian terguncangnya hingga apa yang bisa ia lakukan hanya diam tercekat, dan memandang takjub pada binatang gempal yang iseng sendiri itu.

Ia tahu binatang ini tak sungguh-sungguh hidup. Sepanjang dua puluh tahun hidupnya, ia telah keluar masuk rimba raya di pinggiran kota, dan tak pernah menemukan harimau semacam itu. Ada harimau pohon yang kecil, ada babi, dan ada ajak, tapi tak ada harimau putih hampir sebesar sapi. Itu mengingatkan dirinya pada kakeknya, bertahun-tahun lampau. Matanya dibikin berkaca-kaca, dan tangannya terulur perlahan, mencoba meraih kaki depan si harimau. Benda itu sungguh-sungguh ada di sana, dengan bebulu selembut kemoceng, kuku-kukunya tersembunyi pertanda suatu tawaran bersahabat, dan kaki terangkat, tangan Margio meraihnya lagi, dan kaki si harimau menepuk kecil, serupa anak kucing genit bermain-main. Margio meraihnya gesit, namun si harimau menghindar berguling, lalu mengambil kuda-kuda, siap menyerang, sebelum Margio sempat menghindar, ia telah menubruknya, dan di sana mereka berguling-guling dan hanya karena Margio tak sanggup menahan beban binatang itu mereka berhenti. Margio masih berbaring, si harimau kembali menjilati kakinya, bersimpuh di sampingnya. Lembut Margio menepuk bahunya, sambil menyapa.

„Kakek?“

Sumber: Eka Kurniawan: Lelaki Harimau Gramedia Pustaka Utama, Jakarta
(ISBN: 2015 978-602-03-2220-9 )

Eka Kurniawan: Kutipan dari „Cantik Itu Luka“

1

Sore hari di akhir pekan bulan Maret, Dwi Ayu bangkit dari kuburan setelah dua puluh satu tahun kematian. Seorang bocah gembala dibuat terbangun dari tidur siang di bawah pohon kamboja, kencing di celana pendeknya sebelum melolong, dan keempat dombanya lari di antara batu dan kayu nisan tanpa arah bagaikan seekor macan dilemparkan ke tengah mereka. Semuanya berawal dari kegaduhan di kuburan tua, dengan nisan tanpa nama dan rumput setinggi lutut, tapi semua orang mengenalnya sebagai kuburan Dewi Ayu. Ia mati pada umur lima puluh dua tahun, hidup lagi setelah dua puluh satu tahun mati dan kini hingga seterusnya, tak ada orang yang tahu bagaimana menghitung umurnya.

Orang-orang dari kampung sekitar pemakaman datang ke kuburan tersebut begitu si bocah gembala memberitahu. Mereka bergerombol di balik belukar ceri dan jarak dan di kebun pisang, sambil menggulung ujung sarung, menggendong anak, menenteng sapi lidi, dan bahkan berlepotan lumpur sawah. Tak seorang pun berani mendekat, hanya mendengarkan kegaduhan dari kuburan tua itu bagaikan mengelilingi tukang obat sebagaimana sering mereka lakukan di depan pasar setiap hari Senin. Menikmatinya penuh ketakjuban, tak peduli itu merupakan horor yang menakutkan seandainya mereka sendirian saja. Bahkan mereka berharap sedikit keajaiban daripada sekadar kegaduhan kuburan tua, sebab perempuan di dalam tanah itu pernah jadi pelacur bagi orang-orang Jepang sejak masa perang dan para kyai selalu bilang bahwa orang-orang berlepotan dosa pasti memperoleh siksa kubur. Kegaduhan itu pasti berasal dari cambuk malaikat penyiksa, dan mereka tampak bosan, dan berharap sedikit keajaiban yang lain.

Keajaiban, ia datang dalam bentuknya yang paling fantastis. Kuburan tua itu bergoyang, retak, dan tanahnya berhamburan bagaikan ditiup dari bawah, menimbulkan bagai dan gempa kecil dengan rumput dan nisan melayang dan di balik hujan tanah yang bagaikan tirai itu sosok si perempuan tua berdiri dengan sikap jengkel yang kikuk, masih terbungkus kain kafan seolah ia dan kain kafanya dikubur semalam saja. Orang-orang histeris dalam teriakan serempak yang menggema oleh dinding-dinding bukit di kejauhan, berlari lebih semrawut dari kawanan domba. Seorang perempuan melemparkan bayinya ke semak-semak, dan seorang ayah menggendong batang pisang. Dua orang lelaki terperosok ke dalam parit, yang lainnya tak sadarkan diri di pinggir jalan, dan yang lainnya lagi berlari lima belas kilometer tanpa henti.

Menyaksikan itu semua, Dewi Ayu hanya terbatuk-batuk dan terpukau menemukan dirinya di tengah-tengah kuburan. Ia telah melepaskan dua ikatan teratas kain kafan dan melepaskan dua ikatan lagi di bagian kaki untuk membebaskannya berjalan. Rambutnya telah tumbuh secara ajaib, sehingga ketika ia mengeluarkannya dari selimut kain mori itu, mereka berkibaran diterpa angin sore, menyapu tanah, seperti lumut berwarna hitam mengilau di dalam sungai. Wajahnya putih cemerlang, meskipun kulitnya keriput, dengan mata yang begitu hidup dari dalam rongganya, menatap orang-orang yang bergerombol di balik belukar sebelum separuh dari mereka melarikan diri dan separuh yang lain tak sadarkan diri. Ia mengomel entah pada siapa, bahwa orang-orang telah berbuat jahat menguburnya hidup-hidup.

Hal pertama yang ia ingat adalah bayinya, yang tentu saja bukan lagi seorang bayi. Dua puluh satu tahun lalu, ia mati dua belas hari setelah melahirkan seorang bayi perempuan buruk rupa, begitu buruk rupanya sehingga dukun bayi yang membantunya merasa tak yakin itu seorang bayi dan terpikir itu seonggok tai, sebab lubang keluar bayi dan tai hanya terpisah dua sentimeter saja. Tapi si bayi menggeliat, tersenyum, dan akhirnya si dukun bayi percaya ia memang bayi, bukan tai, dan berkata pada si ibu yang tergeletak di atas tepat tidur tak berdaya dan tak berharap melihat bayinya, bahwa bayi itu sudah lahir, sehat, dan tampak ramah.

„Ia perempuan, kan?“ tanya Dewi Ayu.

„Yah, “ kata si dukun bayi, „seperti tiga bayi sebelumnya.“

„Empat anak perempuan, semuanya cantik, seharusnya aku punya tempat pelacuran sendiri,“ kata Dewi Ayu dengan nada jengkel yang sempurnya. „Katakan padaku, secantik apa bungsu ini?“

Sumber: Eka Kurniawan: Cantik Itu Luka. Gramedia Pustaka Utama, 2018. (ISBN-10: ‎ 6020312585; ISBN-13: ‎ 978-6020312583)

Eka Kurniawan: Auszug aus dem Roman „Schönheit ist eine Wunde“

1

An einem Wochenendnachmittag im März und einundzwanzig Jahre nach ihrem Tod erhob sich Dewi Ayu aus ihrem Grab. Ein Hirtenjunge, der sein Mittagsschläfchen unter einem Frangipanibaum gehalten hatte, wachte auf, machte sich in seine kurzen Hosen und begann zu schreien, derweil seine vier Schafe panisch zwischen den Grabmalen aus Stein oder Holz umherrannten, als sei plötzlich ein Tiger in ihre Mitte gesprungen. Alles begann mit lauten Geräuschen aus dem Inneren eines alten Grabes, das jeder, trotz des namenlosen und kniehoch mit Gras überwucherten Steins, als die letzte Ruhestätte von Dewi Ayu kannte. Da sie im Alter von zweiundfünfzig Jahren gestorben und nach einundzwanzig Jahren wiederauferstanden war, konnte am Ende niemand ihr wahres Alter berechnen.

Sobald der Hirtenjunge ihnen berichtet hatte, was auf dem Friedhof vor sich ging, liefen die Leute aus der Umgebung herbei. Die Enden ihrer Sarongs hochraffend, Kinder tragend, Besenstiele umklammernd oder noch schmutzig von der Arbeit im Reisfeld, drängten sie sich hinter Zierkirsch- und Rizinusstauden oder in der angrenzenden Bananenpflanzung.

Niemand wagte, sich dem alten Grab zu nähern. Die Leute lauschten nur dem Lärm aus dessen Innerem, so als stünden sie, wie sie es oft taten, um den Hausierer herum, der jeden Montag vor dem Markt seine Heilmittel anbot. Sie genossen das unheimliche Schauspiel, das sie in Angst versetzt hätte, wären sie ganz allein dort gewesen. Zudem erwarteten sie noch eine Art Wunder und nicht bloß laute Geräusche aus einem alten Grab, denn schließlich war die Frau unter diesem Stück Erde in den Kriegsjahren eine Prostituierte für die Japaner gewesen, und die Kyais sagten immer, dass die mit Sünde behafteten Menschen ihre grausame Strafe im Grab erhalten würden. Der Lärm rührte also bestimmt von der Peitsche eines strafenden Engels her. Doch den Leuten wurde es langsam langweilig, denn ein bisschen aufregender durfte es schon werden.

Das Wunder kam dann, und zwar überaus fantastisch. Das Grab bebte, bekam Risse, und die Erde flog in die Luft, als wäre darunter ein Sprengsatz detoniert. Es folgten ein leichtes Beben, dann ein Windstoß, der Gestrüpp und Grabsteine umherwirbelte, und unter dem Regen aus Erde, der über der Szene niederging, stand die Gestalt einer alten Frau mit regungsloser, mürrischer Miene und noch in ein Leichentuch gehüllt, als wäre sie erst in der Nacht davor begraben worden. Die Leute gerieten außer sich und liefen, panischer noch als die Schafe, auf und davon. Ihre Schreie hallten von den Berghängen in der Ferne wider. Eine der Frauen warf ihr Baby in die Büsche, und ihr Mann umklammerte einen Bananenstrunk. Zwei Männer stürzten in einen Graben, einige fielen bewusstlos an den Straßenrand, und wieder andere liefen ohne anzuhalten mindestens fünfzehn Kilometer weit.

Dewi Ayu, die all das beobachtete, hustete nur und staunte, sich mitten auf einem Friedhof wiederzufinden. Sie hatte inzwischen die zwei obersten Knoten ihres Leichentuchs gelöst und machte sich an die zwei untersten, um gehen zu können. Ihr Haar war auf wundersame Weise gewachsen, und als sie es aus dem weißen Baumwolltuch schüttelte, fiel es, in der Nachmittagsbrise wehend und glänzend wie
schwarze Algen im Fluss, bis auf die Erde. Ihre Haut war faltig, doch ihr Gesicht schimmerte hell. Aus lebhaften Augen beobachtete sie die Leute, die sich hinter die Büsche gedrängt hatten, bevor ein Teil von ihnen die Flucht ergriff und der andere Teil die Besinnung verlor. An niemanden im Besonderen gerichtet, schimpfte sie laut und klagte, wie schlecht die Menschen doch waren, sie bei lebendigem Leib begraben
zu haben.

Ihr erster Gedanke war ihr Baby, das natürlich längst kein Baby mehr war. Als sie vor einundzwanzig Jahren starb, hatte sie nur zwölf Tage zuvor ein hässliches Mädchen zur Welt gebracht. Es war so hässlich, dass die Hebamme unsicher war, ob es sich tatsächlich um ein Baby handelte oder um einen Klumpen Kot, zumal zwischen der Öffnung für Babys und der Öffnung für Kot nur zwei Zentimeter Abstand lagen. Aber das Neugeborene krümmte sich und lächelte, und schließlich war die Hebamme doch davon überzeugt, dass es wahrhaftig ein Baby war. Der Mutter, die kraftlos und ohne erkennbaren Wunsch, ihr Neugeborenes zu sehen, auf dem Bett lag, sagte sie, dass
das Baby gesund war und einen freundlichen Eindruck machte.

»Es ist ein Mädchen, stimmts?«, fragte Dewi Ayu.

»Ja«, antwortete die Hebamme, »genau wie die drei Babys davor.«

»Vier Töchter, und alle sind sie schön«, sagte Dewi Ayu barsch. »Ich sollte ein eigenes Bordell aufmachen. Sag mir, wie hübsch ist die Kleine?«

aus: Eka Kurniawan: Schönheit ist eine Wunde. Aus dem Indonesischen von Sabine Müller. Unionsverlag, 2017 (Hardcover). ISBN-13: 978-3-293-00521-1ISBN-10: 3-293-00521-7

© Unionsverlag

Okky Madasari: Gebunden. Stimmen der Trommel

„Gebunden. Stimmen der Trommel“ ist die Übersetzung von Okky Madasaris viertem Roman Pasung Jiwa. Der Roman erschien in Indonesien 2013, und wurde ins Englische, Arabische und von Gudrun Ingratubun ins Deutsche übersetzt, wo er im Jahr 2015 im sujet Verlag erschien. Noch während seines Erscheinungsjahrs 2013 wurde Pasung Jiwa in Indonesien für den Khatulistiwa Literaturpreis nominiert.

Der Roman erzählt die Geschichte zweier Freunde, die in den späten 1990er Jahren während der zu Ende gehenden Regierungszeit des Diktators Suharto ihr Studium abbrechen und eine Straßenband gründen. Sie engagieren sich politisch und werden bei einer Razzia verhaftet.

Schwer traumatisiert durch das, was ihnen im Gefängnis angetan wurde, gehen beide nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis getrennte Wege. Während der transsexuelle Sasana als Sängerin Sasa auf lokalen Bühnen auftritt, muss Jaka sich als Fabrikarbeiter verdingen. Im Zuge der Finanzkrise und dem damit einhergehenden Ende der Regierungszeit des Diktators Suharto Ende der 1990er Jahre wird Jaka jedoch arbeitslos und findet im islamischen Extremismus einen Halt. Bei einem Konzert von Sasa begegnen sich die beiden wieder.

Okky Madasari engagiert sich in diesem Buch gegen Extremismus und Diskriminierung und zeigt, dass in Indonesien auch nach Einführung der Demokratie Bewegungen erstarkt sind, die gesellschaftliche Freiheit und Toleranz akut bedrohen.

Okky Madasari: Gebunden. Stimmen der Trommel. sujet Verlag, 2. Auflage 2017
(ISBN: 978–3-944201–83-2)


Okky Madasari: Auszug aus dem Roman „Gebunden. Stimmen der Trommel“

18. September 2003

Mein ganzes Leben ist eine Falle.

Mein Körper war meine erste Falle. Die nächste meine Eltern, dann alle anderen Menschen, die ich kannte. Weiterhin alle Dinge, mit denen ich in Berührung kam, alles was ich je getan habe. All dies sind Fallen, die sich wie ein roter Faden durch mein Leben ziehen. All dies sperrt mich ein, fesselt mich –, hohe Mauern, in denen ich in meinen 30 Lebensjahren gefangen bin.

Jetzt bin ich hier. In einer Falle, die mit bloßem Auge erkennbar ist.

Von tatsächlichen Mauern umschlossen. Eingesperrt, hinter Gittern, im Gefängnis. Ich weiß nicht wie lange.

Vielleicht werde ich genug Willenskraft haben, meinen Weg weiterzugehen, warten bis der Tag der Freilassung kommt – obwohl es keine wirkliche Befreiung sein würde. Denn wenn dieser Tag käme, würde ich nur wieder in eine andere Falle geraten.

Oder aber ich beende alles, renne weg, so weit es geht. Renne davon, um meinen Körper zu verlassen, die mich begrenzenden Mauern zurückzulassen, mein Leben hinter mir zu lassen.

Ich weiß es noch nicht. Wenn ich diese Geschichte morgen fortsetze, bedeutet es, dass ich noch da bin. Dass ich gewählt habe, in meinem eigenen Leben weiterhin in der Falle zu sitzen, gewählt habe, eingesperrt und gefangen zu sein. Gewählt habe, nicht in Freiheit zu sein, weil ich mich offen gestanden zu sehr vor dieser Freiheit fürchte, da ich schon gewohnt bin, gefangen zu sein, es mir zur Gewohnheit geworden ist, über meine Fesseln zu klagen.

Aber wenn diese Geschichte morgen nicht weitergeht, könnt ihr mit mir zusammen glücklich sein. Ich werde dann frei sein. Ich werde keine Angst mehr haben. Ich werde mich dann nicht mehr fügen; nicht mehr kapitulieren, weil ich Angst habe. Ist das nicht die wahre Freiheit?

Sasana

Die Falle des Körpers

Die erste Stimme, die ich je kennengelernt habe, war die Stimme des Klaviers. Nicht die Stimme meiner Mutter, auch nicht die meines Vaters. Das erste Mal, als ich diese Stimme hörte, befand ich mich noch in der Gebärmutter meiner Mutter. Ich hörte sie nicht nur, ich kannte die Töne und konnte sie unterscheiden. Ich konnte kräftige, stampfende Töne fühlen, die mich immer aufweckten und in Bewegung versetzten. Bei sanften Tönen hingegen wiegte ich mich hin und her, schlief fest ein, konnte ruhig schlafen.

Keine andere Stimme hörte ich so. Ich hatte meine Mutter nie flüstern, meinen Vater nie schreien hören. Die Stimmen meiner Eltern lernte ich erst richtig kennen, als ich zur Welt kam. Doch zu dieser Zeit hörte ich dann zu viele Stimmen. Laut, sich überlagernd, flüchtig. Bis ich eigentlich nichts mehr wirklich hören konnte. Nicht die Stimme meiner Mutter, nicht die Stimme meines Vaters, auch nicht den Klang des Klaviers.

Zu dieser Zeit bereute ich schon, geboren worden zu sein. Die Welt war nicht für mich. Die Welt brauchte mich nicht. Nichts bereitete mir Freude. Ich schien am falschen Ort zu sein. Immer machte ich alles falsch.

So wie der Klang des Klaviers das erste war, was ich kennenlernte, so war das Klavier auch die erste Sache, die meine Eltern mir zeigten, nachdem ich geboren war. Es machte ihnen eine große Freude, mich vor das Klavier zu setzen und meine Hände zu führen, um die einzelnen Tasten herunterzudrücken. Ich mochte das nicht, ganz im Gegensatz zu meinen Eltern. Sie lachten immer und sahen glücklich aus, wenn ich eine Taste anschlug und zum Klingen brachte. Ich tat dies jeden Tag, wenn nicht sogar den ganzen Tag lang. Es gibt nichts anderes aus meiner frühen Kindheit, an das ich mich erinnere, außer dem Klavier.

Als ich schon kein Baby mehr war, meine Kindheit begann, ließen meine Eltern einen Klavierlehrer kommen, um mich zu unterrichten. Dieser Lehrer kam zweimal in der Woche nachmittags. An den Tagen, an denen dieser Klavierlehrer kam, wurde ich immer nachmittags früher als sonst gebadet. Meine Kinderfrau brachte mich dann ins Wohnzimmer, wo das Klavier meiner Familie stand. Jeweils eine Stunde lang unterrichtete mich dieser Lehrer. Ich hatte keinen Spaß daran. Der Klang des Klaviers war in meinen Ohren nicht mehr schön. Er war zu einem störenden Geräusch geworden, das mir das Gefühl gab, getrieben zu werden, oder in einem Raum gefangen zu sein. Was konnte ich tun? Es gab nichts, was ich hätte tun können. Ich war ein kleiner Junge, hatte keine Macht, konnte nur tun, was meine Eltern von mir verlangten. So spielte ich weiter Klavier.

Sieben Lehrer haben mich unterrichtet. Jeder Lehrer hörte aus einem anderen Grund auf, mir Unterricht zu geben. Einer wollte heiraten, eine Lehrerin wurde schwanger und bekam ein Kind, ein weiterer Lehrer zog in eine andere Stadt, der nächste fand eine andere Anstellung und einem wurde es sogar zu langweilig. Langeweile. Es imponierte mir, dass jemand aufhörte etwas zu tun, weil er es langweilig fand. Leider war mir das nicht vergönnt. Mir war langweilig, aber ich hörte nicht auf, Klavier zu spielen. Ich hatte keinen Spaß daran, hatte aber keine andere Wahl.

Als ich in die Grundschule kam, beherrschte ich bereits die Werke der klassischen Komponisten: Beethoven, Chopin, Mozart, Bach, Brahms … Welchen großen Komponisten ihr mir auch genannt hättet, ich hätte ihn spielen können. Ich konnte all diese Stücke spielen. Schön sogar. Wenn ich spielte, benutzte ich allerdings nur meinen Verstand – nicht mein Gefühl. Klavier spielen hieß, ein Gerät bedienen, dachte ich zu jener Zeit. Wenn es nur darum ging, den Anweisungen eines Lehrers zu folgen, gelang mir dies mit Leichtigkeit. Obwohl es mir eigentlich keinen Spaß machte und ich mich dabei quälte, als sei in mir drin etwas falsch und mit allen Dingen um mich herum auch. Wie gesagt, ich fühlte mich immer fehl am Platz.

Auch Beifall und lobende Worte konnten mir nicht das Gefühl geben, am rechten Platz zu sein. In ziemlich jungen Jahren schon, ich war gerade in die vierte Klasse gekommen, hatte ich also bereits dutzende Male vor vielen Leuten Klavier gespielt. Von der Schule bis zum Einkaufszentrum. Manchmal nur zur Übung, manchmal im Rahmen eines Wettbewerbs. Meine Pokale standen alle in einer Reihe aufgereiht. Meine Fotos waren gerahmt und aufgehängt. In der Schule zählte ich immer zu den zehn Kindern mit den besten Noten. Ich war der Stolz meiner Eltern und ein Vorbild für Andere.

Als ich eben in dieser vierten Klasse war, wurde mein Geschwisterchen geboren. Ein hübsches Mädchen mit vollen, zarten Wangen. Ihr Körper war winzig, ihre Augen groß. Ich bewunderte sie. Ich liebte sie mehr als alles andere. Ich war sehr gern in ihrer Nähe. Es machte mir großen Spaß, sie anzuschauen, ihr Verhalten zu beobachten, ihr Lächeln zu sehen. Es fiel mir jedes Mal auf, wenn man ihr ein neues Kleidungsstück anzog, rosa Kleider, süße Schühchen. Jetzt gab es etwas anderes, abgesehen vom Klavier und dessen Klang, an das ich mich erinnerte: Melati. Ein wunderschöner Name, nicht wahr?

Melati. Wie gern ich diesen Namen wieder und wieder aussprach. Er war so anders als mein eigener Name: Sasana. Überhaupt nicht schön. Zu grimmig, zu hart. Mein Name erinnerte mich immer an Kampf und Blut. Wie ein Boxring. Aber meine Mutter bestritt immer, dass dies die Bedeutung meines Namens sei. Für sie bedeutete Sasana Männlichkeit, Mut, Stärke.

Melati wurde so erzogen wie ich. Doch ihr Leben schien ihr mehr Spaß zu machen. Immer lächelte und lachte sie. Von Tag zu Tag sah man mehr Schönheit in ihrem Gesicht. Wie ich wurde auch sie zuerst mit dem Klavier vertraut gemacht.

Dem Klavier kam in unserem Elternhaus in der Tat eine besondere Rolle zu. Für meine Eltern war das Klavierspiel eine Tradition, der die höchste Achtung gebührte. Ich selbst frage mich, woher ihre Ehrerbietung kam. Meine Eltern sind keine Musiker. Sie können zwar Klavier spielen, sind bei den Anfängen geblieben, weit entfernt von dem, was ich bereits in der vierten Klasse konnte. Auch ihre Berufe haben nichts mit Musik zu tun. Mein Vater ist Jurist und meine Mutter Chirurgin. Sie haben sich während des Studiums kennengelernt. Ihre gemeinsame Vorliebe für klassische Musik, die Freude an der Diskussion ernsthafter Themen von Politik bis Philosophie vereinte sie. Nachdem sie geheiratet und ein Haus gekauft hatten, war das Klavier, das wir bis heute besitzen, ihre erste Anschaffung. Etwas Besonderes für ein junges Paar, das gerade von niemanden mehr abhängig war. Sie bezahlten das Klavier in zwanzig Raten ab. Sie waren überzeugt, dass es ihnen sehr nützlich sein würde. Nicht nur für ihrer beider Glück, sondern auch für die Zukunft ihrer Kinder. Sie waren überzeugt, dass die auf diesem Klavier gespielte Musik ihren Kindern Intelligenz geben würde. Diese Überzeugung hatten sie aus Büchern gewonnen, die sie gelesen hatten. Melati und ich waren die Verwirklichung dieser Überzeugung. Und ich hatte den Beweis schon erbracht. Ein guter Junge, folgsam, liebevoll und klug. Zudem spielte ich sehr gut Klavier, wovon beide besessen waren. Sie liebten mich und waren stolz auf mich. Der erstgeborene, der einzige Junge. Bis ich mich zu verändern begann.

Ich weiß nicht mehr genau, wie es anfing. Es waren Schulferien. Ich hatte gerade sechs Jahre Grundschule hinter mir und war bereit für die Mittelschule. An jenem Abend war ich in einem Dorf hinter unserem Wohnkomplex. Ich stand zwischen Dutzenden Männern und Frauen und sah mir einen Auftritt an. Eine Frau in einem schillernden Kleid stand auf der Bühne. Sie hatte soeben ein Lied zu Ende gesungen. Sie sah die Zuschauer eindringlich und kokett an, was die Zuschauer sogleich mit Jubel und Beifall bedachten. Einige Leute riefen: „Zugabe! … Zugabe!“. Die Rufe wurden lauter. Das Publikum verlor fast die Geduld. Die Sängerin lächelte glücklich, spürte wie begehrt sie war. Die Trommel wurde geschlagen, die Gitarre gezupft, die Musik setzte ein. Musik, die ich nie zuvor gehört hatte. Ganz anders als die Kompositionen, die ich spielte, anders auch als die Stücke, die ich sonst hörte. Dann sang die Sängerin ein Lied, das mir völlig unbekannt, aber nicht fremd war. Es ging mir sofort ins Ohr, sein Text prägte sich mir mühelos ein.

So trällerte ich inmitten der singenden Menge der Stimme der Sängerin folgend dieses Lied mit:

Einmal habe ich im Riapark Musik erlebt
Der malaiische Rhythmus, Duhai, sehr angenehm
Der malaiische Rhythmus, Duhai, sehr angenehm

Die Flöte war aus Bambus, die Trommel aus Rindsleder
Dangdut, Stimme der Trommel, animiert mich zum Mitsingen
Dangdut, Stimme der Trommel, animiert mich zum Mitsingen

Terajana … terajana
Dies ist ein Lied, ein Lied aus Indien
Ei, so süß seine Melodie, ei, so süß seine Melodie
Süß die Stimme des Sängers
Passend zu seinem schönen Outfit.

In meiner Begeisterung bin ich schier bewusstlos
Die Hüfte schwingt zur Stimme, die mich zum Singen bringt
Die Hüfte schwingt zur Stimme, die mich zum Singen bringt

Die Frau sang und bewegte sich dazu im Takt. Solche Körperbewegungen hatte ich noch nie gesehen. Die Stimme der Gitarre und die Trommel wurden eins – schön und voller Leidenschaft. Auch die Leute um mich herum bewegten sich nun im Takt zur Musik. Die Köpfe neigten sich nach vorn, zur Seite, guckten herausfordernd, während der Mund weiterhin mitsang.

Mein Körper wiegte sich, zunächst sanft. Ich war mir nicht bewusst, dass ich tanzte. Am Anfang war es nur eine leichte Bewegung, dann bewegte sich mein Arm, mein Körper neigte sich nach links und nach rechts. Ich ahmte die Tanzbewegungen meiner Nachbarn nach und rief auch mit ihnen: „Uoooo!”, „Ahoooo!“, oder „Ah… ah… ah…!” und tanzte, war wie in Trance. Trieb dahin. Genau wie es in diesem Lied beschrieben wurde:

In meiner Begeisterung bin ich schier bewusstlos
Die Hüfte schwingt zur Stimme, die mich zum Singen bringt
Die Hüfte schwingt zur Stimme, die mich zum Singen bringt

Ich schloss die Augen ein ums andere Mal und genoss diese Momente sehr. Plötzlich zog mich jemand am Arm, sehr grob. Ich erschrak und erkannte meine Mutter. Sie hatte mich am Arm gepackt. Wortlos zerrte sie mich hinter sich her durch die Zuschauermenge und stieß mich ins Auto. Sie war mit dem Auto gekommen, obwohl sie den kurzen Weg hierher auch hätte zu Fuß gehen können. Auch ich war ja zu Fuß hergekommen, allein, zum ersten Mal. Viele Dinge erlebte ich an jenem Abend zum ersten Mal. Jener Abend war der schönste meiner zwölf Lebensjahre gewesen. Ich würde ihn nie vergessen und nie damit abschließen. Obwohl ich seine Folgen ertragen musste.

Übersetzung von Gudrun Ingratubun aus: Okky Madasari: Gebunden. Stimmen der Trommel. sujet Verlag, 2. Auflage 2017, (ISBN: 978–3-944201–83-2)

© sujet Verlag

Okky Madasari: Kutipan dari „Pasung Jiwa“

18. September 2003

Seluruh hidupku adalah perangkap.

Tubuhku adalah perangkap pertamaku. Lalu orangtuaku, lalu semua orang yang kukenal. Kemudian segala hal yang kuketahui, segala sesuatu yang kulakukan. Semua adalah jebakan-jebakan yang tertata di sepanjang hidupku. Semuanya mengurungku, mengungkungku, tembok-tembok tinggi yang menjadi perangkap sepanjang tiga puluh tahun usiaku.

Sekarang aku di sini. Dalam perangkap yang terlihat mata. Diimpit tembok-tembok tinggi yang sebenarnya. Terkurung, tertawan, terpenjara. Entah berapa lama.

Mungkin aku akan tabah menjalaninya. Menunggu hingga hari pembebasanku tiba—walaupun bukan hari pembebasan yang sebenarnya. Karena saat hari itu tiba, aku akan kembali masuk ke perangkap-perangkap lainnya.Atau mungkin aku akan mengakhiri semuanya, lari sejauh- jauhnya. Lari meninggalkan tubuhku, meninggalkan tembok- tembok yang mengungkungku, meninggalkan hidupku.

Aku masih belum tahu. Jika besok pagi aku masih melanjutkan cerita ini, itu berarti aku masih ada di sini. Memilih terperangkap dalam hidupku sendiri, memilih terkurung dan tertawan. Memilih untuk tak mendapatkan kebebasan, karena sesungguhnya aku terlalu takut untuk mendapat kebebasan itu. Sebab aku terbiasa tertawan, sebab aku terbiasa meratap dalam kungkungan.

Tapi jika ceritaku tak berlanjut esok pagi, ikutlah berbahagia! Aku telah bebas. Sebab aku tak lagi takut. Sebab aku tak lagi menyerah dan berserah karena takut. Bukankah itu kebebasan yang sesungguhnya?

Sasana

Perangkap Tubuh

Suara pertama yang kukenal adalah denting piano. Bukan suara ibuku, bukan pula suara ayahku. Pertama kali aku mendengar suara itu saat masih berada di rahim ibuku. Tak hanya mendengar, aku bisa mengenali dan membedakannya. Aku bisa merasakan nada yang mengentak, yang membuatku selalu terbangun dan bergerak-gerak. Aku terbuai oleh nada- nada lembut, yang membuatku terlelap, tidur dengan tenang.

Tak ada suara lain yang benar-benar kudengar seperti itu. Aku bahkan tak pernah benar-benar mendengar apa yang dibisikkan ibuku, juga yang diteriakkan ayahku. Aku baru benar-benar mengenali suara orangtuaku saat aku lahir ke dunia. Tapi saat itu pula, aku bisa mendengar terlalu banyak suara. Berisik, tumpang-tindih, acak-acakan. Hingga tak ada lagi yang bisa benar-benar kudengarkan. Tidak suara ibuku, tidak suara ayahku, tidak pula denting piano.

Saat itu aku sudah menyesal kenapa aku harus dilahirkan. Dunia bukan untukku. Dunia tak membutuhkanku. Aku tak menyukai semuanya. Aku seperti berada di tempat yang salah. Dan selalu salah.

Jika bunyi piano adalah suara yang pertama kali kukenali saat berada dalam rahim ibuku, piano pula benda pertama yang dikenalkan Ayah dan Ibu setelah aku lahir. Mereka suka sekali mendudukkan aku di depan piano, menuntun tanganku untuk memencet-mencet tiap tutsnya. Aku tak menyukainya. Tapi orangtuaku sebaliknya. Mereka selalu tertawa dan terlihat bahagia setiap aku bisa memencet dan membunyikannya. Aku melakukannya setiap hari, jangan-jangan juga sepanjang hari. Tak ada lagi yang bisa kuingat dari masa kecilku selain piano itu.

Ketika aku sudah bukan lagi bayi dan memasuki masa kanak-kanak, orangtuaku mendatangkan seorang guru piano untuk mengajariku. Guru itu datang seminggu dua kali pada sore hari. Pada hari-hari guru itu datang, aku selalu dimandi- kan lebih awal. Lalu pengasuhku membawaku ke ruang tengah, tempat piano keluargaku berada. Hanya satu jam guru itu mengajariku. Tapi rasanya sangat lama. Aku tak menyukainya. Bunyi piano tak lagi indah menyapa telingaku. Ia kini telah menjelma jadi bunyi-bunyian yang mengganggu, yang membuatku selalu merasa dikejar-kejar atau terkurung dalam ruangan. Apa yang harus kulakukan? Tak ada. Aku laki-laki kecil tak berdaya, yang hanya bisa melakukan setiap hal yang orangtuaku tunjukkan. Aku terus memainkan piano itu.

Sudah tujuh guru yang mengajariku. Setiap guru berhenti dengan beragam alasan. Ada yang hendak menikah, ada yang hamil dan punya anak, ada yang pindah kota, ada yang punya pekerjaan baru, juga ada yang berhenti karena bosan. Bosan. Senang sekali mendengar seseorang bisa berhenti melakukan sesuatu karena bosan. Tapi sayangnya tidak denganku. Aku bosan, tapi tak berhenti melakukan. Aku tak suka, tapi harus selalu bisa.

Saat masuk sekolah dasar, aku sudah mahir memainkan komposisi-komposisi klasik dunia. Beethoven, Chopin, Mozart, Bach, Brahms… Sebutkan saja! Aku bisa memainkan semuanya dengan indah. Aku bermain dengan menggunakan akalku, bukan dengan perasaanku. Memainkan piano hanya soal menggunakan alat, pikirku saat itu. Kalau sekadar mengikuti apa yang diajarkan guru, aku dengan mudah melakukannya. Meski sebenarnya aku tak suka dan selalu tersiksa. Seperti ada yang selalu salah dalam diriku dan semua yang ada di sekelilingku. Seperti yang tadi aku katakan, aku selalu merasa seperti berada di tempat yang salah.

Tepuk tangan dan kata-kata pujian tak pernah membuatku merasa telah melakukan sesuatu yang benar. Pada usia yang sangat muda, baru naik kelas 4 SD, aku sudah puluhan kali memainkan piano di depan banyak orang. Di sekolah sampai di pusat-pusat perbelanjaan. Untuk hanya sekadar latihan hingga untuk lomba. Piala-pialaku berjajar, foto-fotoku dipamerkan. Di sekolah, aku selalu termasuk sepuluh murid yang paling pintar. Aku adalah kebanggaan, aku pujaan semua orang.

Saat aku kelas 4 SD itu, adikku lahir. Bayi perempuan yang cantik. Pipinya montok dan halus. Badannya mungil, matanya lebar. Aku mengaguminya. Aku mencintainya lebih dari apa pun. Aku senang berada di dekatnya. Aku senang memperhatikannya, melihat tingkahnya, mengamati senyum- nya. Aku memperhatikan setiap pakaian yang dikenakannya. Baju-baju warna merah jambu, sepatu-sepatu lucu. Kini ada sesuatu yang bisa kuingat selain piano dan nada-nada itu: Melati. Nama yang indah, bukan?

Melati. Aku suka mengucapkannya berulang kali. Berbeda sekali dengan namaku: Sasana. Sama sekali tak indah. Terlalu garang, terlalu keras. Selalu mengingatkanku pada perkelahian dan darah. Seperti tempat orang bertinju. Tapi ibuku selalu meyakinkan bukan itu arti namaku. Sasana bagi dia adalah kejantanan, keberanian, keperkasaan.

Melati dibesarkan dengan cara yang tak berbeda denganku. Tapi sepertinya hidupnya lebih menyenangkan. Dia selalu tersenyum dan tertawa. Dari hari ke hari, semakin terlihat kecantikan di wajahnya. Sama sepertiku, piano adalah benda yang pertama kali dikenalkan padanya.

Piano memang benda istimewa di rumah ini. Bagi ayah dan ibuku, memainkan piano adalah bagian tradisi yang harus dijunjung tinggi. Aku sendiri heran kenapa mereka sampai bersikap seperti itu. Ayah dan ibuku bukan pemain musik. Mereka memang bisa memainkan piano. Tapi permainan mereka hanya sekadarnya, jauh berbeda dengan kemampuanku saat kelas 4 SD. Pekerjaan mereka sehari-hari juga jauh dari musik. Ayahku ahli hukum, ibuku dokter bedah. Mereka bertemu saat masih kuliah. Sama-sama mencintai musik klasik, sama-sama suka berdiskusi tentang hal-hal berat, dari politik hingga filsafat. Setelah menikah dan punya rumah, benda pertama yang mereka beli adalah piano yang sekarang kami miliki. Sebuah barang mewah untuk pasangan muda yang tak lagi mengandalkan siapa-siapa. Piano itu dibeli dengan dicicil dua puluh kali. Mereka percaya, benda ini akan sangat berguna. Tak hanya untuk kebahagiaan mereka berdua, tapi juga demi masa depan anak-anak mereka. Mereka yakin, musik yang dimainkan dengan piano itu akan memberikan kecerdasan pada anak-anak mereka. Itu keyakinan yang mereka dapat dari buku-buku yang mereka baca. Aku dan Melati menjadi perwujudan keyakinan itu. Dan aku telah memberikan buktinya. Anak laki-laki yang baik, penurut, penuh kasih sayang, dan cerdas. Lebih dari itu, aku pandai bermain piano. Hal yang menjadi obsesi mereka berdua. Akulah anak ke- sayangan dan kebanggaan. Anak pertama, laki-laki satu-satunya. Hingga kemudian aku mulai berulah.

Aku tak ingat bagaimana awalnya. Saat itu sedang masa libur sekolah. Aku baru lulus SD, bersiap masuk SMP. Ma- lam itu aku sudah berada di kampung di belakang kompleks rumahku, berdiri di antara puluhan laki-laki dan perempuan, menonton sebuah pertunjukan. Seorang perempuan berbaju gemerlap berdiri di panggung. Ia baru selesai menyanyikan satu lagu. Menyapa penonton dengan akrab dan genit, yang langsung disambut sorakan dan tepuk tangan penonton. Beberapa orang mulai berteriak, ”Lagi… lagi…!” Teriakan semakin keras, penonton sudah tak sabar. Si penyanyi tersenyum senang, merasa ia begitu diinginkan. Gendang ditabuh, gitar dipetik, musik mulai dimainkan. Musik yang tak pernah kudengar sebelumnya. Yang sangat berbeda dengan komposisi- komposisi yang kumainkan, juga lagu-lagu yang aku dengar- kan. Lalu penyanyi itu mulai menyanyikan lagu yang juga belum pernah aku tahu. Tapi entah kenapa lagu itu seperti tak asing buatku. Lagu itu langsung akrab di telingaku, bahkan liriknya dengan mudah kuhafalkan.

Kini aku ikut bersenandung di antara penonton yang semuanya bernyanyi, mengikuti suara si penyanyi.

Pernah aku melihat musik di Taman Ria Iramanya melayu duhai
sedap sekali Iramanya melayu duhai sedap sekali

Sulingnya suling bambu, gendangnya kulit lembu Dangdut suara
gendang rasa ingin berdendang Dangdut suara gendang rasa ingin
berdendang

Terajana… terajana Itu lagunya lagu India Hai
merdunya… hai merdunya Merdu suara oh penyanyinya
Serasi dengan indah gayanya

Karna asyiknya aku hingga tak kusadari Pinggul bergoyang-goyang
rasa ingin berdendang Pinggul bergoyang-goyang rasa ingin
berdendang

Perempuan itu menyanyi sambil menggoyangkan badannya. Goyangan yang tak pernah kusaksikan. Suara gitar, gendang, seruling… semua berpadu indah dan bergairah. Orang-orang di sekelilingku juga ikut bergoyang. Kepala mereka menunduk, miring, menengadah, sambil mulut tetap terus menyanyi.

Perlahan tubuhku mulai bergerak. Tanpa aku sadari aku ikut bergoyang. Awalnya hanya goyangan kecil, lalu tanganku mulai bergerak, lalu tubuhku meliuk ke kanan dan ke kiri, lalu seluruh tubuhku. Aku menirukan goyangan orang-orang di sekitarku, mengikuti suara-suara yang mereka keluarkan seperti ”Uoooooo”, ”Ahoooo”, atau ”Ah… ah… ah…” Aku terus bergoyang. Aku terbius. Aku melayang. Persis seperti yang dikatakan dalam lagu itu:

Karna asyiknya aku hingga tak kusadari
Pinggul bergoyang-goyang rasa ingin berdendang
Pinggul bergoyang-goyang rasa ingin berdendang

Sesekali aku memejamkan mata dan merasakan nikmat yang berbeda. Saat mataku terpejam, tiba-tiba tanganku ditarik orang. Tarikan yang sangat kasar. Aku tergelagap. Baru kemudian aku sadari siapa yang menarik tanganku: ibuku. Tak ada kata-kata yang Ibu ucapkan. Aku ditarik membelah kerumunan orang, dibawa masuk ke mobil. Ibu menjemputku dengan mobil, meski sebenarnya tempat ini tak terlalu jauh dari rumahku. Karena itu aku bisa datang ke sini sendiri dengan jalan kaki, walaupun baru pertama kali.

Ya, ini baru pertama kali. Banyak sekali hal pertama yang kudapatkan malam ini. Malam ini adalah malam terindah dalam 12 tahun usiaku. Aku tak akan melupakan dan menyesalinya. Meski aku harus menanggung akibatnya.

Sumber: Okky Madasari: Pasung Jiwa. Apa Itu Kebebasan? Gramedia Pustaka Utama, Jakarta
(ISBN: 2015 978-602-03-2220-9 )

Triyanto Triwikromo: Das Wirrwarr der Verwandlung

Als Franz Kafka eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett in ein Rind verwandelt. Gewiss erschrak er, wälzte sich hin und her. Ihm wurde bewusst, dass er selbst – in der Gestalt eines Tierkörpers mit Buckel und Wamme – das Zimmer ausfüllte, was ihm kaum noch Raum für Bewegung ließ.

„Das ist bestimmt ein Traum. Es war doch Gregor Samsa gewesen, der sich in ein Ungeziefer, einen riesigen Mistkäfer verwandelt hatte. Nicht ich selbst. Und in ein Rind hätte ich mich bestimmt nicht verwandeln mögen“, murmelte Kafka, „Was wäre an einem Rind schon interessant?“

„Daran ist doch nichts Merkwürdiges“, sagte ein Tier mit aufgeblähtem Bauch, panzerartiger Rückenplatte und einer Vielzahl von Beinen, das ihm als der verwandelte Gregor Samsa vertraut war. Es krabbelte in Kafkas Ohr und flüsterte: „Ich habe mich in einen Mistkäfer verwandelt und niemand stört sich daran.“

„Doch merkwürdig: Wie würden die Leute wohl reagieren, wenn sie erführen, dass ein Mann jüdischer Herkunft, am 3.Juli 1883 in Prag geboren, von keinem Regime der Welt verfolgt, sich plötzlich in ein Buckelrind verwandelt hätte? Hat etwa die Bourgeoisie sich gegen mich verschworen und mein Denken derart beeinflusst, dass ich mich selbst als Rind sehe?“

„Oh“, sagte Gregor Samsa, seine Fühler flink hin und her bewegend, „denke nicht wie ein ängstlicher Dichter! Du hast Der Verschollene, Der Prozess, Das Schloss und Die Verwandlung geschrieben. Doch deine Werke bringen lediglich deine Angst zum Ausdruck. Angst, beiseite gedrängt zu werden. Angst, nicht genügend Raum zum Leben zu haben. Angst, zu sterben. Angst, als Dichter vergessen zu werden.“

Kafka fühlte sich verletzt, hörte Gregor Samsas Worten jedoch weiterhin zu.

„Denke wie ein Versicherungsangestellter! Nimm an, dass alle Menschen dumm sind, sich keine Gedanken machen, was Versicherungsagenten tun. Denn dann kannst du jeden überzeugen, obwohl du ein Rind geworden bist: Ich bin Kafka. Ein perfekter Schriftsteller. Bin nicht impotent und gebe immer das Beste für meine Leser.“

„Nichtsdestotrotz bin ich ein Rind, das Schwierigkeiten hat, aufrecht zu stehen“, erwiderte Kafka, „und du bist nur ein winziger Mistkäfer.“

Gregor Samsa schwieg. Er war nicht ansatzweise imstande, Kafka bei frostigen 2 Grad Celsius aus seinem Zimmer in der Heidestraße in Berlin-Zehlendorf herauszuziehen.

„Wäre ich doch nur ein riesiger Mistkäfer, dann könnte ich dich aus dem Zimmer zerren“, lamentierte Gregor Samsa. „Leider bin ich nur ein sehr kleines Tier. Dann brauche ich nur zu Gott zu beten, er möge dich in eine winzige Kuh verwandeln und mich in einen riesigen Mistkäfer.“

Kafka fühlte seinen widerwärtigen Buckel und versuchte erneut, aufzustehen, scheiterte aber. Er rief nach Dora, aber die Antwort seiner Geliebten stimmte ihn missmutig.

„Muhe doch nicht wie ein Rind, Liebling“, sagte Dora, „Schlaf wieder ein!“

Oh, sogar Dora hält mich für ein Rind, dachte Kafka. Wie beschämend, wenn sie dieses Tier mit Buckel, Wamme und dem Maul voller Speichel im Zimmer ihres Geliebten entdeckt. Ich muss sofort eine Strategie entwickeln, wie ich dieses Problem lösen kann. Und diesen Plan kann nur ein Rind ausführen. Weil allerdings nur Gregor Samsa meine Stimme hören kann, werde ich meine Bitte an diesen idiotischen reisenden Handelsvertreter richten.

„Gregor“, rief Kafka, „ich bin davon überzeugt, mich irgendwann in einen Menschen zurück zu verwandeln. Ist dies geschehen, bitte ich dich um Folgendes: Erstens, all meine handschriftlichen Werke zu retten. Zweitens, all meine bereits gedruckten und zu druckenden Werke einschließlich der Meditationen zu verbrennen. Es ist mein Wunsch, dass die Verehrer meiner Literatur durch das Lesen meiner Werke dümmer werden. Drittens  möchte ich dir mitteilen, dass Die Verwandlung wirklich ein Werk für den Müll ist. Lese sie niemals – am allerwenigsten, wenn du mit der Bahn fährst.“

Gregor, der noch in Kafkas Ohr saß, nickte. Er dachte, Kafka hätte sich eigentlich in eine Erbse verwandeln sollen oder in eine Erdnuss im Teigmantel. Wir könnten dann leicht auf die Straße rollen, wenn das von Kafka gemietete Haus in Flammen aufginge. Ich halte Erbsen und Erdnüsse bei weitem für mehr sexy als bucklige Tiere.

Zunehmend verwirrt durch diese Situation, die sich nicht sogleich wieder normalisierte, summte Gregor: „Deine Geschichte ist mir gleichgültig. Sollten wir nicht versuchen, den besten Weg zu finden, wieder Menschen zu werden?“

„Wieder Menschen zu werden?“, kicherte Kafka, „Glaubst du noch, dass die Menschen die edelsten Geschöpfe sind?“

„Gewiss“, entgegnete Gregor Samsa, der sich in seiner menschlichen Würde durch seine Tiergestalt erniedrigt fühlte.

„Du irrst dich, Gregor“, erklärte Kafka. „Vielleicht sind die Menschen sogar die verachtenswertesten Geschöpfe geworden und Gott hat uns deshalb in Tiere verwandelt.“

„Nun, wenn der Mensch schon als stinkendes Geschöpf betrachtet wird, warum verwandelst du dich nicht einfach in ein Nashorn und ich in einen Schmetterling?“

„Warum müssen es gerade ein Nashorn und ein Schmetterling sein?“

„Was stört dich denn an einem Nashorn und einem Schmetterling?“

„Glaubst du, dass ich, nachdem wir ein Nashorn und Schmetterling geworden sind, nach dem Aufwachen immer noch ein Nashorn sein werde und du ein Schmetterling? Oder glaubst du, dass wir morgen früh immer noch dasselbe Nashorn und derselbe Schmetterling sein werden? Ich denke, es ist sinnlos, jetzt zu diskutieren, was wir werden möchten? Adam hat auch nie gefragt, warum er Adam werden musste, warum der Wind der Wind wurde, der Nebel der Nebel und Jesus Jesus. Wir sollten uns lieber Gedanken machen, wie wir aus dieser misslichen Lage herauskommen.“

Franz Kafka und Gregeor Samsa verfielen in tiefes Nachdenken.

„Wie wäre es, wenn du deinem engen Freund Max Brod einen Brief schreibst, ob er uns aus dieser absurden Situation befreien kann?“

„Einen Brief schreiben? Rede kein dummes Zeug! In meinem Zustand kann ich unmöglich Briefe schreiben.“

Gregor Samsa war über Kafkas Antwort amüsiert. Er wunderte sich, warum er selbst noch sein menschliches Gehirn benutzte, obwohl er ein Mistkäfer geworden war. Aber er wollte nicht in ein verwirrendes Gedankenlabyrinth geraten. Deshalb ermunterte er Kafka, noch intensiver nachzudenken.

„Eigentlich ist es einfach, uns aus dieser absurden Situation zu befreien“, sagte Gregor. „Wir werden unsere Situation nicht als absurd empfinden, wenn wir alles, was uns passiert, für normal halten.“

„Wie meinst du das?“

„Du wirst meine Absicht verstehen, nachdem du einige Fragen beantwortet hast. Erstens, ist das Zimmer, in dem wir uns jetzt befinden, für dich der Himmel? Wenn ja, dann bedeutet es, dass wir uns daraus nicht befreien müssen. Wir akzeptieren unser Schicksal, ein Rind und ein Mistkäfer geworden zu sein. Zweitens, ist es dir wichtig, dass der Welt berichtet wird, dass Kafka noch lebt, von der Tuberkulose geheilt ist und lächerliche Geschichten über die Vertreibung der Juden schreibt? Wenn nicht, müssen wir niemanden darum bitten, ein Rind und einen Mistkäfer in Menschen zu verwandeln. Drittens, möchtest du noch immer der Welt erzählen, dass es Kafkas sehnlichster Wunsch ist, ein Kampfhund zu werden? Wenn nicht, lass uns einfach unser Leben in Ruhe in diesem Zimmer verbringen. Meditieren, bis wir alt werden. Bis niemand mehr unseren Zustand beachtet.“

Kafka bemühte sich, Gregor Samsas Fragen und Erkenntnisse zu interpretieren.

„Ich weiß keinerlei Antwort auf deine drei Fragen“, sagte Kafka. „Ich stelle mir gerade vor, wie unsere Körper allmählich auf die zehnfache Größe anwachsen, bis sie die Wände dieses Zimmers durchbrechen. Ich denke, das ist kein absurder Gedanke, denn ein Rind und ein Mistkäfer zu werden ist ja auch nicht absurd.“

„Durchbrechen?“, kicherte Gregor Samsa. „Durchbrechen ist das schönste Wort auf der Welt. Ja, wir werden die Zimmerwände auf mehrfache Weise durchbrechen.“

Kafka schwieg. Ihm war bewusst, dass er die Wand im Moment unmöglich durchbrechen konnte. Es war unvorstellbar schwer, sich mit diesem fetten Körper mit Buckel und Wamme überhaupt zu bewegen. Noch schwieriger sich hinzustellen. Fast unmöglich den Kopf zu bewegen, die Hörner gegen die Wand zu stoßen.

„Denkst du, dass ich dir nicht helfen kann? Denkst du etwa, dass eine Figur, die du geschaffen hast, nichts erreichen kann?“

Kafka nickte.

„Du hast wohl vergessen, dass ich ein reisender Handelsvertreter bin. Du hast vergessen, dass ein reisender Handelsvertreter einen Instinkt besitzt, zur rechten Zeit aufzustehen, sich eilig die Schuhe anzuziehen, wie ein verrückt gewordener Hund zu rennen, um den Zug noch zu erreichen und sich jederzeit durch die Zimmertür befreien kann.“

Kafka nickte, konnte aber immer noch nicht erraten, was Gregor Samsa vorhatte.

„Schließe die Augen, Kafka, und fühle, wie dunkel unsere Welt ist.“

Kafka schloss seine Augen. Er hatte seine Augen noch nicht lange geschlossen, da konnte er sich nicht mehr darauf konzentrieren, das Gefühl der Dunkelheit zu genießen, weil er einen stehenden Schmerz an seinem Ohr spürte.

„Gregor, Gregor“, rief Kafka. „Beiße mir nicht ins Ohr. Sofort raus aus meinem Ohr!“

Gregor Samsa kümmerte sich nicht darum. Er biss immer wieder in Kafkas Ohr. Biss, biss und biss, bis Kafka, dieses riesige Buckelrind mit Wamme, schnaubte, sich erhob, und um den Schmerz zu lindern, gegen die verschiedensten Gegenstände polterte.

Die Schreibsachen wurden verwüstet, die Bücher durcheinander geworfen. Das Bett zerbarst.

„Gregor“, schrie Kafka erneut. „hör auf zu beißen!“

Er erhielt keine Antwort. Gregor biss ihn so lange, bis es ihm schließlich gelang die Zimmerwände zu durchbrechen und ins Freie auf die Straße zu laufen. Da rief Dora Diamant: „Warum schnaubst du wie ein Rind, Liebling. Lass dieses absurde Geräusch!“

Aber Kafka hörte ihr Rufen nicht. Er hörte auch die Menschen auf der Straße nicht, die sagten: „Kafka, warum krabbelst du nachts auf der Straße herum?“

Nachdem er eine Zeitlang die Strommasten und die vorüberfahrenden Kutschen betrachtet hatte, sagte Kafka schließlich zu Gregor Samsa: „Es hat sich nicht gelohnt, das Haus zu verlassen. Lass uns zurück ins Zimmer gehen. Schlafen und morgen mit neuer Erfahrung, neuer Hoffnung aufwachen.“

„Neuer Hoffnung?“, fragte Gregor Samsa. „Du glaubst noch, dass wir neue Hoffnung schöpfen werden?“

Übersetzung von Gudrun Ingratubun aus dem noch unveröffentlichten Roman „Metamorkafka“ von Triyanto Triwikromo.

© Triyanto Triwikromo, Gudrun Ingratubun